Reise ans Ende der Welt |
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Teil 2: Antarktis
Wie unsere Reise zum Ende der Welt begann, kann hier nachgelesen werden! |
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Montag, der 21. Januar 2013 „Schwierigkeiten sind letztlich nur Dinge, die überwunden werden müssen.“ (Ernest Shackleton) Heute lassen wir den Sonnenaufgang ganz allein und der Wecker klingelt erst um 7 Uhr. Nachdem Sigrid ja schon mehrere Tage wie ein Weltmeister hustet, fühlt sich leider nun auch Sandra sehr unwohl und wir beschließen, unsere Pläne leicht zu ändern. Gestern haben wir bereits so viel von Ushuaia und Umgebung gesehen durch das gute Wetter, dass wir unser Auto bereits heute zurückgeben werden, denn wer weiß, wie es uns morgen geht… Doch zuerst packen wir wieder einmal und nach dem Frühstück fahren wir mit dem Auto hinauf zum Glaciar Martial. Von hier soll man einen sehr schönen Überblick über die Stadt haben, doch leider fängt es gerade an zu regnen. So stehen wir etwas unmotiviert und lahm am Berg, Sandra fröstelt, Sigrid hustet. Erst ab 16 Uhr dürfen wir an Bord der MS Delphin und die Zeit bis dahin ist noch lang. Da wir noch etwas Gesichtscreme brauchen, fahren wir zum großen Einkaufszentrum der Stadt, Paseo del Fuego. Dieses ist eine Mall mit einigen Geschäften und im oberen Bereich sitzt plötzlich Andrea bei einem Kaffee vor uns. Welch ein Zufall. Auch Jürgen kommt gerade um die Ecke und so tauschen wir uns etwas aus. Auch Andrea ist noch angeschlagen und so kämpft jeder mit sich und seinem Unwohlsein. Gegen 13 Uhr trennen wir uns dann für die letzten Erledigungen. Wir gehen zuerst in den Supermarkt La Anonima. Dieser ist ziemlich groß und hat ein gutes Angebot. Zurück beim Auto meint Sandra, sie könnte ja für zehn Minuten die Augen zu machen. Daraus wird dann knapp eine Stunde und etwas erfrischt kommt nun der Endspurt. Wir fahren zum Flughafen, wo wir das Auto bei Avis abgeben wollen. Leider ist der Avis Schalter gerade nicht besetzt und wir warten. Unser Handy funktioniert leider nicht und so sind wir etwas hilflos. Als nichts passiert, fragt Sandra im Duty Free Shop nach Hilfe. Eine Mitarbeiterin ruft die Avis Handynummer an und auch ohne Spanischkenntnisse versteht Sandra, dass der Avis-Mensch jetzt da ist. Die Rückgabe erfolgt dann ohne Komplikationen, sogar der Mietpreis wird nur für die tatsächlich genutzte Zeit berechnet. Mit einem Taxi möchten wir nun zum Hafen, doch der Fahrer hat ein Verständigungsproblem mit Sandra. Sie einigen sich zum Schluss auf Puerto? Si! Centro? Si! Cruicero? Si! Pre-embarque? Si! Mit dieser Beschreibung werden wir sicher zur Kreuzfahrtpier gebracht und dürfen dort ohne jede Kontrolle passieren. Es gibt auch kein Empfangskommando von der MS Delphin. Ganz allein wandern wir mit unserem Gepäck die lange Pier entlang. Vorbei an der kaputten Silver Explorer, einem Fischtrawler, der gerade palettenweise Merluza Negra (Schwarzer Seehecht) entlädt und einem Containerschiff erreichen wir endlich unser Zuhause für die nächsten knapp zwei Wochen. Auch hier interessiert sich niemand wirklich für uns und wir sind etwas enttäuscht. Nach etwas Hin und Her dürfen wir dann endlich unsere großen Taschen unten am Schiff abgeben und über die Gangway das Schiff betreten. Hier werden uns zügig unsere Bordkarten in die Hand gedrückt und die Pässe abgenommen und dann können wir gehen. Es wirkt auf uns alles etwas lieblos. Zum Glück wissen wir, wo unsere Kabine liegt und als wir sie erreichen, kommt unser Gepäck auch schon an. Die Größe der Kabine ist ausreichend und wir sind zufrieden. Nun sind wir also endlich Passagiere der „Delphin“. Vor dem Auspacken machen wir einen kleinen Rundgang an Bord, denn es ist noch Kaffeezeit und wir haben Hunger. Danach suchen wir uns ein paar Bücher in der Bibliothek aus und treffen im Grand Salon auf Jürgen und Andrea, die ihren ersten Wein genießen und sich scheinbar schon gut zurechtgefunden haben. Die geplante Willkommensansprache wird kurzfristig auf 21 Uhr verlegt, da der Flieger aus Deutschland zu spät angekommen ist und nun die Ausflügler noch unterwegs sind. Uns ist es recht, so können wir die Zeit nun zum Auspacken nutzen und bald hat alles seinen Platz. Zum Abendessen um 19 Uhr treffen wir uns dann schon wieder, da wir im Vorfeld einen gemeinsamen Tisch reserviert hatten. Nach dem Abendessen ist für uns der Abend zu Ende, denn richtig gut fühlen wir uns beide nicht. Bereits um 21.30 Uhr liegen wir im Bett in unserer Kabine auf Deck 4. Dreizehn Nächte ohne Ein- und Auspacken liegen vor uns. Gute Nacht! |
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Dienstag, den 22 . Januar 2013 „Zum Reisen gehört Geduld, Mut, Humor und daß man sich durch kleine widrige Zufälle nicht niederschlagen lasse.“ (Adolph von Knigge) Nun haben wir es endlich geschafft. Wir sind auf der MS „Delphin“ und haben sogar schon eine Nacht hier geschlafen. Nun muss es nur noch los gehen – unsere langgeplante Tour in die Antarktis. Sandra ist heute Morgen schon um 5 Uhr trotz Regen zum Fotografieren auf dem obersten Deck. Der erhoffte spektakuläre Sonnenaufgang bleibt aus. Nach einem schönen Frühstück vom Buffet sieht nun alles schon viel besser aus. Der Regen hat aufgehört und die Sonne scheint. Uns macht immer noch die starke Erkältung zu schaffen. Sandra kämpft mit Fieber und Mattigkeit und Sigrid bellt seit Tagen wie ein Hund. Es hört sich schrecklich an. Die Husten-Bonbons reichen nicht und allmählich mag sie auch keiner mehr. Gegen 10 Uhr machen wir uns fertig für einen letzten Gang durch Ushuaia. Es sind viele Leute unterwegs. Wir gehen zuerst zu „Tante Sara“ – ein uriges Kaffeehaus mit Internet. Hier checkt Sandra noch einmal die letzten Mails und wir trinken dabei einen Espresso. Eigentlich war ja eine Bootstour geplant oder eine Fahrt hinaus zur Estancia Harberton, doch dafür fehlt uns zur Zeit der Antrieb. |
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Zurück auf dem Schiff gehen wir zum Mittagessen, welches wir heute mal in der Lido-Bar einnehmen. Es gibt von allem etwas in Buffetform und es schmeckt uns. Seit 13.30 Uhr sitzen wir nun an der Pool-Bar, lassen uns von der Sonne bescheinen und genießen dabei einen Kaffee. Eben kommt Jürgen vorbei und berichtet uns von den Erlebnissen ihres Rundfluges heute Morgen über Ushuaia. Muss ja bei diesem Wetter ganz toll gewesen sein. Nun machen wir beide ein kleines Mittagsschläfchen. Sandra liegt in unserer Kabine und Sigrid im Liegestuhl auf Deck in der Sonne. 16.15 Uhr – es ist Kaffeezeit. Ein vielseitiges Angebot an Kuchen erwartet uns. Anschließend erfolgt noch ein Besuch im Reisebüro des Schiffes. Hier geht es laut und bunt zu. Die einen fragen nach dem Ausflug auf Westpoint Island, die anderen wollen einen Sonderstempel für die Postkarten haben. Leider begegnen uns hier doch einige Exemplare der Art „Deutscher Nörgler“. Da wir nach unseren Tagen im TdP bereits tiefenentspannt sind, rollen wir nur mit den Augen und bemitleiden die Dame am Counter. 18 Uhr – Seenotrettungsübung mit alten Rettungswesten, die ganz lange Schnüre haben. Alle Passagiere treffen sich im Grand Salon, hier erfolgt die Erklärung, warum, weshalb und weswegen. Danach wird geübt, wie man die Schwimmweste anlegt, was bei diesen Modellen dringend notwendig ist und so manch einen Passagier vor größere Probleme stellt, für die bereits erfolgreich angekleideten jedoch sehr lustig ist. Dann gehen wir gemeinsam zu den Rettungsbooten. Wir haben das Rettungsboot Nummer 5, wollen nur hoffen, dass wir es nicht benötigen. Im Anschluss an diese Übung soll die MS „Delphin“ auslaufen was wir mit einem Gin Tonic feiern wollen. Doch auf Grund des starken Windes kommen wir nicht von der Pier weg und das Auslaufen verzögert sich. Wir verlassen das Pool-Deck und machen uns für das Abendessen startklar. Jürgen und Andrea sind schon da. Das Essen ist wieder lecker, nicht zu viel aber genug, um satt zu werden. Da es immer vier oder fünf Gänge gibt, muss keiner hungern. Um 20.40 Uhr bewegt sich unser Schiff. Mit einigen informativen Durchsagen fahren wir durch den Beagle Kanal. Hier verläuft auch die Grenze zwischen Chile und Argentinien. In zwei Stunden sollen wir an einem Schiffswrack vorbeikommen, welches 1988 gesunken ist. Da wir unsere Erkältung immer noch nicht los sind, gehen wir jedoch ins Bett. |
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Mittwoch, den 23. Januar 2013 „Jetzt gehöre ich zu einem höheren Kult der Sterblichen, habe ich doch den Albatros gesehen!“ (1912, Robert Cushman Murphy) Nach einer ruhigen Nacht ohne Seegang gehen wir gegen 8.00 Uhr zum Frühstück. Das Angebot ist vielfältig mit vielen Marmeladensorten, Wurst, Käse, Fisch, Müsli und Obst. Am Tisch werden wir dann noch einmal befragt, ob wir wohl Rühreier oder ein Spiegelei wollen. Gestärkt verlassen wir das Restaurant „Pazifik“. Um 9.45 Uhr sollen wir dann im Grand Salon sein. Heute werden wir in die offiziellen Regeln der IAATO (International Association of Antarctica Tour Operators) für Antarktisbesuche eingewiesen. Für alle, die in der Antarktis an Land gehen wollen, ist diese Veranstaltung Pflicht. Wir werden in Gruppen eingeteilt und können uns zwischen den Farben Rot, Blau, Gelb und Grün entscheiden. Wir nehmen Blau und haben nun auf der Bordkarte einen blauen Punkt. Es sollen etwas über 300 Passagiere an Bord sein. Somit entfallen auf jede Farbe ca. 75 Passagiere. Zuerst stellt sich das Lektorenteam vor, dann wird uns gezeigt, wie wir in die Zodiacs (die großen schwarzen Gummiboote) ein- und aussteigen müssen. In jedem Zodiac fahren 15 Personen mit (immer mit der gleichen Farbe). Eine Anlandung in der Antarktis dauert je Gruppe ca. eine Stunde. Es dürfen immer nur 100 Personen gleichzeitig an Land sein. Wir bekommen gesagt, • Wie wir uns verhalten sollen, • Was erlaubt ist und was verboten • Wie wir uns richtig anziehen • Welche Temperaturen dort herrschen • Wie dicht wir an die Tiere herangehen dürfen • Wie die Säuberung der Sachen nach der Anlandung erfolgt Es werden auch einige schöne Fotos gezeigt und die Spannung steigt, hoffentlich ist es bald soweit. Großen Spaß bereitet das Anlegen der Schwimmwesten für die Zodiacfahrt. Es ist erstaunlich, wie viel Möglichkeiten es gibt, diese Rettungswesten verkehrt anzuziehen. Die Zeit vergeht wie im Fluge und nach der Veranstaltung gehen wir erst einmal an die frische Luft. Hinten an der Lido-Bar kann man es aushalten, da der Wind nicht so stark weht. Unser Mittagessen nehmen wir heute wieder hier am Heck ein. Während des Essens kommt ein kleiner Regenschauer herunter doch dann scheint die Sonne wieder. Sandra bestellt uns einen Glühwein, der uns durchwärmt und den wir so richtig genießen. Wir halten unser Gesicht in die Sonne, schauen zwischendurch mal nach Vögeln, die unser Schiff begleiten, Delfinen und Walen und machen nebenbei einen Plausch mit Andrea und Jürgen. Auch beim Nichtstun vergeht die Zeit und noch wird es uns nicht langweilig. Sandra nutzt das gute Wetter für eine kleine Fototour über das Schiff. |
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Um 16.45 Uhr gehen wir in den Grand Salon zum Vortrag „Die Tierwelt der Falklandinseln“. Es ist sehr interessant. Außer Pinguinen und Robben gibt es eine große Artenvielfalt bei Vögeln, die sich auf den Falklandinseln gut ernähren und verbreiten können. Ja so eine Kreuzfahrt kann auch in Stress ausarten, denn nach dem Vortrag geht es schnell in die Kabine, wir müssen uns „fein“ machen für den Kapitänsempfang. Ab 18.15 Uhr begrüßt uns und alle anderen Gäste der „Delphin“ der Kapitän Vorobyov. Wir stoßen mit einem Willkommenscocktail an. Der Bekleidungsvorschlag für den heutigen Abend ist festlich aber das ist auf einer Antarktisreise nicht ganz so streng. Jeder kommt, wie er es für angemessen hält. Es gibt ein Gala – Abendessen, welches aus ….zig Gängen besteht, sehr gut schmeckt und natürlich dementsprechend lange dauert. Im Anschluss gehen wir noch einmal mit dem Fotoapparat über Deck und dann ist auch dieser Tag schon wieder zu Ende. Morgen sollen wir die Falklandinseln erreichen und wir sind sehr gespannt. Wird das Wetter mitspielen? Wird Patrick wie vereinbart in Port Stanley auf uns warten? To be continued… |
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Donnerstag, der 24. Januar 2013 "Die Natur, stark und wild, ist wie eine alte, in Schnee gemeißelte Sage, die manchmal in so feiner und zarter Stimmung ist wie ein Gedicht. Aber die Natur ist auch wie kalter Stahl, in dem sich das Licht der Farben im Licht der Sonne spiegelt." (Fridtjof Nansen) Um 6 Uhr klingelt der Wecker und die MS Delphin stürmt noch immer mit 16 Knoten über die Wellen. Von Land ist über die Bordkamera noch nichts zu sehen. Erst kurz vor sieben dreht sie bei und nun können wir neben dem Land der Falklandinseln auch noch dicke Regentropfen auf der Kamera sehen. Wie das wohl heute weitergeht? Beim Frühstück schmieden wir einen Plan, denn wir wollen früh an Land sein. Bereits im März letzten Jahres haben wir bei Patrick Watts eine Tour mit dem Jeep zum Volunteer Point gebucht. Dort gibt es die einzige Königs-Pinguin-Kolonie, die wir auf dieser Reise überhaupt erreichen können und da die Anzahl der Fahrzeuge auf der Insel bei nur 2.000 Einwohnern in Stanley begrenzt ist, haben wir uns unseren Platz frühzeitig gesichert. Leider hieß es im Katalog, dass die Delphin an einer Pier festmacht, doch diese gibt es in Port Stanley gar nicht, so dass jedes Kreuzfahrtschiff tendern muss. Das bedeutet für uns, dass erst einmal die an Bord gebuchten Touren an Land gebracht werden und erst danach, um 9.30 Uhr, der Landgang für die individuellen Entdecker beginnt. Das passt uns überhaupt nicht, haben wir doch Anweisung bekommen, so früh wie möglich an Land zu sein. Also tricksen wir etwas und reihen uns im Treppenaufgang mit unschuldigen Mienen in die Reihe der zu tendernden Ausflugspassagiere ein. Und es klappt. Zwar kommt nur noch Sandra in das erste Boot, da dieses dann voll ist aber die anderen drei folgen eine Viertelstunde später. In der Zwischenzeit hat Sandra schon unseren Fahrer Owen gefunden, der brav einen großen Zettel mit unseren Namen hochhält und sie stellt auch fest, dass mindestens ein Drittel der im ersten Tender gefahrenen Passagiere genauso unberechtigt an Bord waren wie sie. Sie alle haben bei Patrick die Tour gebucht und als wir nun vollzählig sind, geht es los. Den ersten Kilometer über eine Teerstraße, dann folgen gute Landwege, alles noch nichts Außergewöhnliches. Nach einem kurzen Stopp an einer Farm geht es dann jedoch richtig los. Im Fernsehen würde es heißen „Die Falklands, unendliche Weiten. Wir fuhren dort, wo noch nie ein Auto vor uns gefahren ist“. Nun, so ganz richtig ist dies nicht, denn hier sind überall schon Autos gefahren. Es ist Weideland mit ziemlich morastigen Abschnitten, durchzogen von unzähligen Tracks und tiefen Rinnen. Für die letzten zwanzig Kilometer brauchen wir noch einmal 90 Minuten Fahrzeit und wir alle bewundern, dass man in diesem Terrain überhaupt ein Auto bewegen kann. |
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Gegen 11.30 Uhr haben wir unser Ziel erreicht. Es ist mittlerweile warm geworden und die Sonne scheint. Wir werden von einem durchdringenden Geruch begrüßt. Zwei Stunden Aufenthalt haben wir und so stürmen wir los. Vorbei an der Kolonie der Esels-Pinguine (Gentoos) und den vielen Magellan-Pinguinen geht es direkt zu den bereits aus großer Entfernung gelb leuchtenden Königs-Pinguinen. Wir sind begeistert. Welch eine Farbenpracht. Es sind mehrere hundert Tiere, die hier werben, lieben, brüten und auch schon ihre Jungen aufziehen. Es gibt so viel zu entdecken und die Zeit vergeht wie im Fluge. Zuerst widmen wir uns der Kolonie und entdecken sogar frisch geschlüpfte Junge. Dann gehen wir hinunter an den Strand, der ebenso gut in der Karibik sein könnte. Feinster weißer Sand in einer weitgeschwungenen Bucht mit blauem und türkisfarbenem Wasser. Die Pinguine, die hier unterwegs sind, wirken irgendwie deplatziert, genau wie Pinguine in der Südsee eben. Nichts desto trotz können wir sehr gut beobachten, wie sie ins Wasser gehen oder heraus kommen. Manche stehen auch nur am Strand und bieten sich als sonnenbeschienenes Fotomotiv mit Spiegelung an. |
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Die Zeit vergeht viel zu schnell und schon bald müssen wir zurück zu den Autos. Hier gibt es noch schnell einen Kaffee und ein paar Sandwiches und dann schaukeln wir uns auf genau den gleichen nicht vorhandenen Wegen wieder zurück nach Port Stanley. Unterwegs beginnt es zu regnen, doch auch diese Wolken lassen immer wieder mal die Sonne hindurch. Die Landschaft ist karg und steinig. Zurück in Port Stanley schauen wir noch in die Souvenirshops und bummeln etwas durch die kleinen sehr englisch wirkenden Strassen. Mit dem Tenderboot um 17 Uhr fahren wir zurück an Bord, sehen noch einen kleinen Regenbogen und freuen uns über diesen schönen Tag. Wie es wohl weitergeht? |
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Es soll windig werden. Und richtig, nach dem Abendessen wird bekannt gegeben, dass unsere morgige Anlandung auf Westpoint Island sehr früh stattfinden soll, da sich ein Sturmtief nähert. Ob wir überhaupt an Land können, weiß man noch nicht. Das ist schade, denn wir hatten uns sehr auf die Albatrosskolonie gefreut, doch viel mehr macht uns der angekündigte Sturm Sorgen. Und so machen wir unsere Kabine seefest, werfen noch eine Tablette gegen Seekrankheit ein und können nur hoffen, dass es nicht allzu schlimm wird. |
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Freitag, den 25. Januar 2013 Ich bin der Albatros, der am Ende der Welt auf dich wartet. Ich bin die vergessene Seele der toten Seeleute, die Kap Hoorn ansteuerten von allen Meeren der Erde. Aber sie sind nicht gestorben im Toben der Wellen. Denn heute fliegen sie auf meinen Flügeln in die Ewigkeit mit dem letzten Aufbrausen der antarktischen Winde. Sara Vial Laut Plan sollen wir heute Morgen um 5.30 Uhr West Point Island erreichen und unsere erste Zodiac Anlandung durchführen. Wir haben bereits gestern Abend dafür die entsprechende Kleidung und die Gummistiefel bereit gestellt. Der Wecker wurde auf 5 Uhr gestellt und gleich nach dem Klingeln kommt die Durchsage, dass auf Grund des Sturms West Point Island nicht angelaufen werden kann. Windstärke 8 und Böen bis 10 machen eine Anlandung unmöglich. Der Durchsage folgt die Aufforderung: „Drehen Sie sich um und schlafen noch eine Runde.“ Das tun wir dann auch. Um 8.30 Uhr werden wir das zweite Mal wach. Das Schiff stampft und knarrt mächtig. Wir stehen nun auf und nehmen unser Frühstück in der Lido-Bar ein. Danach bleiben wir gleich an der frischen Luft. Wir machen einige Fotos von den mit uns fliegenden Seevögeln. Auch verschiedene Arten von Albatrossen sind dabei und wir können Schwarzbrauenalbatrosse, Rußalbatrosse und die riesigen Wanderalbatrosse sehen. Wenn sie so über die Wellen gleiten, fällt es schwer sich vorzustellen, dass diese Vögel eine Flügelspannweite von bis zu 3,5 Meter haben. Es fehlt einfach der Maßstab für das Auge. |
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Ab und zu gibt es große Brecher und das Schiff knallt mit dem Bug so richtig auf die Wellen. Sigrid verlässt um 11 Uhr das Lido Deck und geht in den Grand Salon hört sich einen Vortrag über „Wale im Südpolarmeer“ an. Das ist sehr interessant und auch etwas schaukelig, da sich der Grand Salon ziemlich weit vorn am Bug befindet. Zur Mittagszeit nehmen die Wellenbrecher zu. Unser Kapitän versucht das Sturmtief zu umfahren und fährt seit West Point Island wieder direkt auf den südamerikanischen Kontinent zu um von dort aus in die Antarktis abzudrehen. So entgehen wir dem wirklich schlechten Wetter und kommen mit Wellenhöhen von 4-5 Metern davon, die wir nun erst einmal ausgiebig fotografieren. Wir ziehen uns wasserdicht an und begeben uns auf das höchste für uns als Passagiere erreichbare vordere Deck. Nachdem wir so richtig durchgepustet sind, setzen wir uns in die Sonne am Lido Deck und dösen vor uns hin. So vergeht die Zeit bis zum Kaffeetrinken mit „Nichtstun“, welches wir noch genießen. Ob es an der Erkältung liegt, den langen Tagen im Torres del Paine N.P. oder unseren sehr gut wirkenden amerikanischen Seekrankheitspillen, wir sind ständig müde. Um 17 Uhr besuchen wir wieder den Grand Salon zum Recap und lassen uns von unserem Expeditionsleiter die Erlebnisse des Tages und die Vorschau für die nächsten Tage sagen. Danach können die Passagiere Fragen stellen. Jetzt wird es lustig! Fragen wie: • Kann man denn nicht Eisbären zum Südpol bringen? • Beeinträchtigt der Mond die Stärke des Windes? • Und ginge das nicht vielleicht doch mit den Eisbären? werden gestellt und auch beantwortet… so gut es geht. Die gesamte Fragestunde dauert fast 60 Minuten. Wir gehen danach in unsere Kabine und schreiben etwas am Reisebericht bevor wir um 19 Uhr zum Abendessen gehen. Danach machen wir noch einen kurzen Gang über das Deck. Irgendwo schauen noch einige Strahlen der Sonne heraus. Ein richtiger Sonnenuntergang, wie wir ihn uns wünschen, wird es wieder nicht, dafür gibt es noch einen Regenbogen. |
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Samstag, den 26. Januar 2013 Wo der Wind wohnt... Gegen 4 Uhr knallt es und diverse Dinge folgen der Schwerkraft vom Nachttisch in Richtung Boden. Schnell wird alles gesichert und dann weiter geschlafen. Um 7.45 Uhr stehen wir dann auf, d.h. wir versuchen es, denn das Schiff rollt ganz schön. Am Frühstückstisch sind wir allein. Jürgen und Andrea haben wohl schon gefrühstückt, wie die Brötchenkrümel auf dem Tischtuch zeigen. Anschließend erledigen wir dann endlich die Postkarten, die an der ersten Antarktisstation abgegeben werden sollen. Unsere 36 !! Postkarten bekommen je nach Platz erst einmal von uns einige Stempel mit der Delphin und einigen Pinguinen der Antarktis aufgedrückt. Die Dame am Postschalter erzählt uns von den unterschiedlichen Antarktisstationen. Es steht noch nicht fest, wo wir zuerst anlaufen. Da wir zwei Mitarbeiter der polnischen Station „Arctowski“ an Bord haben, kann man davon ausgehen, dass wir hier auf alle Fälle anlegen. Na mal sehen wie es weiter geht. Auf alle Fälle schippern wir nun mit 15,9 Knoteen, Kurs 151 ° SSOst in Richtung der Süd Shetland-Inseln … oder auf einen Eisberg meint Sandra. Übrigens läuft hier auf dem Schiff der Wettbewerb um eine Flasche Sekt, wer zuerst einen großen Eisberg sieht. |
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Den weiteren Tag verbringen wir mit Faulenzen, Essen, Fotografieren und einem Vortrag über „Schnee, Eis und Gletscher in der Antarktis“. Nun wird es aber wirklich Zeit, dass wir ankommen im Land der Eisberge. Zudem das Wetter heute sehr grau ist, dafür aber die Wellen im Laufe des Tages abnehmen und sich die Drake Passage von einer relativ milden Seite zeigt. Zur Kaffeezeit locken uns Waffel mit heißen Kirschen in das Restaurant. Da hat sich die Küche viel Mühe gemacht. Im abendlichen Recap wird bekannt gegeben, dass wir wohl morgen Nachmittag unsere erste Anlandung haben werden. Das Ziel heißt, wie schon vermutet, Arctowski. Doch bis dahin müssen wir noch über 20 Stunden totschlagen. Ohne Sonne macht das keinen Spaß und nach dem Abendessen ist der Abend früh zu Ende. Vorschlafen für die Antarktis in der Hoffnung auf traumhafte helle Nächte bei tollem Wetter ;-/ |
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Sonntag, der 27. Januar 2013 Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen. (Georg Christoph Lichtenberg) Als wir um 7.30 Uhr erwachen ist es still. Es schaukelt nicht mehr. Schnell springen wir auf und ein erster Blick auf den Fernseher zeigt, dass wir gute Fahrt in stiller See machen und, dass es draußen ziemlich grau ist. Beim Frühstück erfahren wir von Andrea und Jürgen, dass wir heute früh einen tollen Sonnenaufgang verpasst haben und dass bereits die ersten Eisberge gesichtet wurden. Auch wir können beim Blick aus dem Fenster eisbedeckte Berge erkennen. Dies ist bereits King George Island, wo wir heute anlanden wollen. Wir haben zwei polnische Wissenschaftler für die Arctowski Station „geladen“, die wir dort abgeben wollen und so soll dies gleichzeitig unsere erste Anlandung werden. Nach einem Recap (eine andere Reisende fragte uns, ob wir auch zum Repair gehen… ;-) um 11.00 Uhr, wo wir noch einige Details über die Station erfahren und dass man dort Seeelefanten und Adelie-Pinguine entdecken kann, gibt es noch ein schnelles Mittag und dann laufen wir bereits in die Admirality Bay ein, in der sich die polnische Station befindet. Wir sehen einige Eisberge, gelbe Containerunterkünfte und entlang des dunklen Strandes jede Menge gestrandeter Eisberge. Das sieht interessant aus. |
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Unsere Vorfreude hält jedoch nicht lange, denn als das erste Zodiac zurückkehrt, wird der Landgang kurzerhand abgesagt. Zu windig, zu viel Schwell im Wasser. Dazu fängt es auch noch an zu schneien. Die Enttäuschung ist groß. Als Alternativprogramm will man jetzt zum Antarctic Sound fahren und dort „Eisberge gucken“. An sich eine wunderbare Idee, denn der Antarctic Sound ist berühmt für seine Allee der Tafeleisberge. Nur leider frischt der Wind immer mehr auf und nachdem man uns vier einfache Eisberge präsentiert hat, ist vom Antarctic Sound keine Rede mehr. Wir kommen uns ziemlich veräppelt vor und die Stimmung ist schlecht. Zum nächsten kurzfristig angesetzten Recap geht Sandra aus Protest nicht mehr und stellt sich stattdessen lieber an die Reeling bei Null Grad und Windstärke 10. Als neue Richtung wird nun bekannt gegeben, dass wir zurück nach King George Island fahren und dort in eine andere Bucht einfahren, wo es mehrere Forschungsstationen geben soll. Anlanden können wir dort zwar nicht aber mal aus der Ferne gucken. Große Erwartungen haben wir nicht mehr doch das Wetter kommt der Crew bei der Massenunterhaltung zur Hilfe. Je mehr wir uns der Maxwell Bay nähern, umso stärker pustet der Wind. Dabei haben sich große Linsenwolken und Wolkenwalzen am Himmel gebildet. |
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Das Ganze ist sehr wild und die Delphin liegt ziemlich schräg im Wasser durch den Winddruck. Eine Durchsage bestätigt dann Sandras Vermutung, dass es sich hier um lokale katabatische Winde handelt und wir derzeit Windstärke 12 hätten. Dieses Naturschauspiel dauert fast eine Stunde an und tapfer kämpft sich die Delphin durch den Sturm und die Gischt. Währenddessen sehen wir die Forschungsstationen von Süd Korea, Uruguay, Russland und Chile und dazu Gletscher und irre Wolkenformationen. Ein wahrhaft dramatisches Schauspiel und wenn wir schon keine Sonne mit Windstille haben können, ist dies wohl die zweitbeste Option. |
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Beim Abendessen sind wir dann wieder etwas versöhnt, auch wenn das Wetter wohl auch morgen nicht viel besser sein soll. Ob es uns wohl überhaupt vergönnt sein wird, irgendwann mal in ein Zodiac zu steigen? So ein bisschen haben wir unsere Zweifel… Draußen ist es nun wieder grau und das Warten auf den Wetterumschwung verlegen wir in unsere Kabine. |
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Montag, der 28. Januar 2013 Unsäglich langsam nur vermochte das menschliche Auge die Nebel des Eismeeres zu durchdringen; hinter der Nebelwand lag das Land des Mythos. Aus: 'In Nacht und Eis' (1898)Fridtjof Nansen Um 3 Uhr klingelt der Wecker. Auf der Außenkamera ist ein heller Streifen vor dunklem Himmel zu sehen und Sandra will es nun wissen. Oben an Deck angekommen, erweist sich die Kamera als sehr lichtempfindlich, denn eigentlich ist es draußen fast dunkel mit einem leicht helleren Horizont und es gießt in Strömen. Also schnell wieder ins Bett und beim zweiten Versuch um 6 Uhr ist es zwar heller aber sonst nicht viel besser. Wieder ein Tag ohne Anlandungen? Verzweiflung macht sich breit. Bereits um 7 Uhr wollen wir vor Half Moon Island liegen und die dortige Kolonie der Zügelpinguine besuchen, doch draußen ist es nass und grau. Die Wolken reichen fast hinunter bis zur Wasseroberfläche, die jedoch sehr glatt ist. Als tatsächlich der Startschuss für die Anlandung gegeben wird, machen wir uns auf eine Regenschlacht gefasst. Zum Glück sind wir erst als dritte Gruppe an der Reihe und haben so die Gelegenheit, uns alles genau anzusehen. Der Nebel wird immer dichter, es ist grau und ungemütlich. Wir packen alles wie geplant und dann geht es los. Im Grand Salon werden noch einmal unsere Jacken abgesaugt und dann steigen wir ins Zodiac. Das war einfach. Auch die Fahrt und die Anlandung sind sehr sanft. An Land werden wir bereits vom Expeditionsteam und den ersten Zügel-Pinguinen begrüßt. Uns wird gesagt, wo wir hindürfen und wohin nicht und dass wir ca. eine Stunde Zeit haben. Nach einigen Minuten wird es trockener von oben und wir können uns die Pinguine, ihre Jungen, Robben und einen Seebären in der Entfernung in aller Ruhe ansehen. Der Nebel lichtet sich etwas und wir können einige rote Hütten in der Entfernung erkennen. Ansonsten konzentrieren wir uns vollkommen auf die kleinen Gesellen, die mutig zwischen uns hindurch laufen. Ihre Jungen sind schon recht groß, werden jedoch immer noch gefüttert. |
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Die Stunde vergeht wie im Fluge und zurück an der Anlandestelle müssen auch hier noch ein paar Pinguine geknipst werden. Zwischen all den Zügel-Pinguinen steht ein einzelner Esels-Pinguin. Ob er ein Identitätsproblem hat??? Nach der Rückkehr zum Schiff und der damit verbundenen Reinigungsprozedur der Gummistiefel können wir beobachten, wie sich die Szenerie vollkommen verändert hat. Der Nebel hat sich gehoben und vor uns liegt nun eine grandiose Kulisse aus Gletschern und Bergen. Davor recht klein Half Moon Bay, wo immer noch die Passagiere umher spazieren. Die Gletscher reichen, soweit das Auge sehen kann, heute Morgen war uns dieser Anblick verwehrt. Als alle vier Landegruppen durch sind, gibt es für uns ein Mittag und die MS Delphin nimmt Kurs auf unser nächstes Ziel. Dabei macht sie Platz für die Sea Adventurer, die wohl heute Nachmittag in Half Moon Bay landen möchte. Unser nächstes Ziel heißt Deception Island und liegt nur 40 Seemeilen weiter südlich. Draußen ist es nun wieder sehr windig geworden, regnerisch und kalt. Wir wollen in der Kabine noch etwas packen, für den Fall, dass wir wirklich in die Caldera von Deception Island einfahren, die durch die Spitze eines aktiven Vulkans gebildet wird. Der bislang letzte Ausbruch fand im Jahre 1970 statt. Bei dem Wind glauben wir noch nicht so richtig daran. Dabei werden wir so müde, dass ein kurzer Mittagsschlaf eingelegt wird. |
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Gegen 14.30 Uhr ertönt dann die Durchsage, das die Insel vor uns liegt und der Kapitän nun versuchen werde, durch die enge Öffnung in die mit Wasser gefüllte Caldera des Vulkans einzufahren. Draußen ist es immer noch sehr windig aber der Kapitän scheint sich hier auszukennen. Sicher steuert er die Delphin durch eine im Südosten der Insel gelegene, weniger als 400 m breite Meerenge, auch Neptuns Blasebalg genannt. Hier können Schiffe in den vom Meer überfluteten Kratersee gelangen. Gleich danach wird es ruhiger. In der Caldera befindet sich eine alte verlassene Walfangstation, Whalers Bay genannt und hier wollen wir heute Nachmittag anlanden. Geschützt von den Winden außerhalb der Caldera scheint dies möglich zu sein. Wir sind heute die zweite Gruppe und genehmigen uns noch einen Glühwein beim Warten. Das Wetter wird immer besser und sogar die Sonne kommt zeitweise zum Vorschein. 16.30 Uhr sind wir an der Reihe und gleich mit dem ersten Zodiac dürfen wir hinüber. Die Überfahrt ist wieder sehr ruhig und beim Aussteigen behalten wir trockene Füße in den nassen Gummistiefeln. Die erste Aktivität bei Sandra heißt dann auch Füße baden. Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und der dunkle Sandstrand kann stellenweise Temperaturen von bis zu 70 Grad aufweisen. Schnell sind die Gummistiefel ausgezogen und wirklich, das Wasser ist badewannenwarm. Viel wärmer als die Fußbäder im Lago Sarmiento und im Beagle Kanal. Nach ein paar Bemerkungen vom Expeditionsteam sind die Socken und Stiefel dann wieder angezogen und wir besichtigen die Überreste der alten Siedlung. Es gibt Tanks, alte Häuser, Gräber und einen Hangar zu sehen. Alles ist sehr verfallen und inmitten dieser lebensfeindlichen Umwelt ist es wirklich das Ende der Welt. Aber die Sonne scheint und wir haben wieder einmal eine Stunde Zeit, diesen Ort aus einer längst vergangenen Zeit zu erkunden. Zurück an Bord lassen wir bei einem Rotwein den Tag Revue passieren und warten dann hungrig auf das Abendessen, welches heute erst 19.45 Uhr serviert wird. Danach gibt es noch einen Recap, bei dem Fragen zu heute und morgen beantwortet werden. |
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Dienstag, der 29. Januar 2013 Eis ist der Beginn der Antarktis und ihr Ende… Die Landschaft, verwandelt in Formen aus Eis. Hier ist eine Welt, geprägt von Eis. Eis ist es, was den Kontinent zusammenhält. Eis in einer solchen Dimension, dass es sich selbst formt und definiert. Eis welches gleichzeitig Material und Gestaltung, Landschaft und Sinnbild ist. “Ice is the beginning of Antarctica and ice is its end…This is earthscape transfigured into icescape. Here is a world informed by ice: Ice that welds together a continent: ice on such a scale that it shapes and defines itself: ice that is both substance and style; ice that is both landscape and allegory.” Stephen Pyne The Ice: A Journey to Antarctica „Wenn Sie einen Pinguin beim Fliegen beobachtet haben, dann war es ein Kormoran“ (Lektorenspruch) Die Stimmung ist nicht gut, da wir immer noch auf unser Postkartenwetter warten und seit gestern Abend noch einmal gesunken. Im Tagesprogramm für heute steht über das Wetter „windig, starker Regen und abends Schneefall“. Schlimmer geht’s wirklich nicht und als wir morgens um 6 Uhr auf Deck stehen, sieht es auch genau so aus. Wolken und Nebel fast bis zur Wasseroberfläche und leicht feucht ist es auch. Nach ein paar Verzweiflungsbildern wollen wir frühstücken, denn wir sind heute die erste Gruppe bei der Anlandung in Port Lockroy. Doch die Frühstückscrew ist wohl noch nicht so weit und da es noch nichts gibt, gehen wir wieder hinaus. Hier hat sich mittlerweile ein kleines helles Loch über der einen Seite der Berge gebildet und glücklich fotografieren wir dieses kleine Stück blauen Himmel. Wie gering sind doch unsere Ansprüche geworden. Das Schiff nimmt Kurs auf den hellen Fleck am Himmel und je näher wir kommen, desto heller wird es. Sogar eine Bergspitze im Sonnenschein ist zu sehen. In wenigen Minuten liegt eine unwirkliche gewaltige Kulisse von Bergen und Gletschern im Sonnenlicht vor uns. All dies haben wir bisher noch überhaupt nicht gesehen, da die Wolken immer so tief hingen. Die Kameras klicken und wir staunen. |
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Das kleine Sonnenloch scheint genau über dem Ziel unseres heutigen Vormittags zu hängen und macht uns zu glücklichen Menschen. An Bord gibt es wohl nur noch strahlende und knipsende Menschen, zu schön ist der Anblick des Sonnenlichts auf den Gletschern und Bergen. Ein kurzes Stück fahren wir hinein in den Neumayer Kanal und dann haben wir schon Port Lockroy erreicht. Auf einer kleinen Insel, umgeben von einer imposanten Kulisse befindet sich Base A, eine der britischen Stationen, die während des zweiten Weltkriegs hier unten entstanden sind und bis 1962 besetzt war. Heute ist Port Lockroy als Historic Site des British Antarctic Heritage Trust eine der beliebtesten Touristenattraktionen in der Antarktis und beherbergt neben einem Postamt auch ein Museum sowie einen Souvenirladen. Hier werden alle Postkarten der Passagiere abgegeben, die auf dem Schiff gesammelt wurden. Rund um die Station brüten tausende von Esels-Pinguinen und die Regel, mindestens fünf Meter Abstand zu ihnen zu halten, kann hier einfach nicht eingehalten werden, da sie zum Beispiel direkt neben dem Eingang des Hauses brüten. |
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Unsere heutige Anlandung besteht aus zwei Teilen und damit jeder genügend Zeit hat, wurde unsere Ankunft heute Morgen um eine Stunde vorverlegt. Die Besatzung von Port Lockroy, vier junge Leute, wussten davon jedoch nichts und wurden von uns aus den Betten geholt. Heute sind wir die erste Gruppe bei der Anlandung und wir landen sogar im ersten Zodiac. Zuerst werden wir nach Jougla Point gefahren, wo es viele Esels-Pinguine gibt. Auch ein Walskelett gibt es dort und viele kleine Eisstücke in der Bucht. Es ist wunderschön und an der Anlandestelle werden wir bereits vom Empfangskomitee, bestehend aus drei Esels-Pinguinen empfangen. Überall sind auch Jungtiere zu sehen, die gerade im kuscheligen Alter sind und sehr nette Fotomotive abgeben. Pinguine mit Jungen, Pinguine mit Eisberg, Pinguine mit Touristen und Pinguine mit MS Delphin. Die Speicherkarten sind mal wieder viel zu klein für alle Motive. |
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Nach 45 Minuten setzen wir dann über nach Port Lockroy, wo wir endlich mal wieder shoppen können. Draußen fotografieren wir noch ein paar Pinguine und müssen ihnen immer wieder Platz machen, wenn sie mit ihren Steinen im Schnabel auf dem Weg zum Nest sind. Pinguine haben hier immer Vorfahrt. Viel zu schnell ist die Zeit vorbei und wir müssen zurück zum Schiff. Nachdem wir dort die Desinfektionsprozedur für die Gummistiefel beendet haben und auf Deck zur Feier des Tages ein Gläschen Wein trinken, sehen wir, dass sich die Sonne schon wieder verabschiedet hat. Es wird immer windiger und später erfahren wir, dass die letzte Gruppe aufgrund des starken Windes nicht mehr auf Jougla Point landen konnte und recht durchnässt wieder an Bord kam. Pünktlich zum Mittagessen verlässt die MS Delphin Port Lockroy und schon wenige Minuten später befinden wir uns in einem Inferno aus Sturm und Schnee. Eigentlich steht nun die komplette Passage des Neumayer Kanals bevor, einem der szenischen Highlights, doch unsere Sichtweite beträgt nur 30 Meter, bei Windstärke 12 schneit es waagerecht. Mit verkniffenen Gesichtern stehen wir in der Kälte… Der Neumayer Kanal besitzt eine Länge von 26 km in NOsw-Richtung und ist etwas 2,4 km breit. Er hat majestätische Klippen, eine Attraktion für Touristen, die in diese Region kommen. Es wird gesagt, er sei wie ein Labyrinth mit nicht sichtbaren Ausgängen wegen seines S-förmigen Verlaufs. Da diese Starkwinde hier unten sehr lokal auftreten, stellen wir wahrscheinlich einen neuen Rekord bei der Durchfahrt des Neumayer Kanals auf, denn hier gibt es für uns leider nichts zu sehen. Erst als sich der Kanal zur Gerlache Strait weitet, einem eigentlich auch sehr schönen Plätzchen, lichtet sich der Nebel soweit, dass man zumindest ein paar hundert Meter weit sehen kann. Da auch der Wind hier verschwunden ist, stoppt das Schiff, um nach Walen Ausschau zu halten, doch nicht einmal diese lassen sich jetzt sehen. So schön das sonnige Zwischenspiel heute Morgen auch war, wir wollen mehr davon und die Stimmung ist schon wieder am Boden. Bei mieser Sicht laufen wir pünktlich zum Abendessen unser nächstes Ziel für heute an. Paradise Bay. Eine Bucht, umgeben von über 2000 Meter hohen schneebedeckten Bergen und gewaltige Gletscherzungen mit Walen und Eisbergen. |
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Beim Abendessen springen Jürgen und Sandra auf, als neben dem Schiff ein Eisberg mit Pinguinen vorbeischwimmt. Gleichzeitig werden Wale gesichtet und ein wenig bereuen wir es, heute das formale Abendessen im Restaurant gewählt zu haben. Aber was sollen wir bei dem Wetter schon verpassen? An schönen Tagen kann man hier mit spiegelglattem Wasser und von der Sonne beschienen Bergen rechnen, doch heute hat das Paradies geschlossen und dort, wo sich die Wolken ein wenig heben, können wir bei einem Blick durch das Schaufenster ahnen, wie schön es sein könnte. Da wir heute Morgen die erste Gruppe bei der Zodiac-Tour waren, sind wir nun die letzten. Unser Termin ist 22.30 Uhr, also nach Sonnenuntergang und wir sind nicht begeistert. Nun liegen wir also hier in der Paradiesbucht, sehen blauweiße Eisberge und Wale in der Entfernung und warten auf die Dinge, die da kommen könnten. Und sie kommen… in Form kleiner heller Flecken am Himmel, die immer größer werden und sich zu blauen Himmelslöchern zwischen den dichten grauen Wolken entwickeln. Auf einmal sind die Zodiacs gar nicht mehr so wichtig, denn von Bord haben wir den besten Blick auf die sich bildende tolle Lichtstimmung. Und trotzdem es nicht für ein direktes Sonnenlicht auf den Gletschern reicht, scheint es doch so, als hätte man das Paradies extra für uns doch noch geöffnet. Nur Sigrid möchte noch die Zodiac-Tour machen, Sandra, Andrea und Jürgen wollen lieber an Bord bleiben und die Lichtstimmung genießen. Doch plötzlich kommt Unruhe an Bord auf. Einer der Wale in der Bucht ist dicht neben einem der Zodiacs aufgetaucht und taucht direkt darunter hindurch. Danach nähern sie sich dem Schiff und tauchen daneben ab. Da zur gleichen Zeit das Licht nun verschwindet und unsere Zodiac-Gruppe aufgerufen wird, entscheidet sich Sandra blitzschnell um, rennt in die Kabine um sich Gummistiefel anzuziehen und begibt sich zur Zodiac-Pforte in der Annahme, schon recht spät zu sein. Dort rutscht sie einfach in eines der Zodiacs hinein und später stellen wir fest, dass sie wohl noch in die Vorgruppe geraten ist. Aber was macht das schon. So sitzen wir also dieses Mal in getrennten Zodiacs, betreten zum ersten und einzigen Mal das Festland der antarktischen Halbinsel und cruisen vor dem Gletscher, wo es gerade vor einigen Minuten kleinere Abbrüche gab. |
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Auch wenn es schon etwas schummerig wird, ist die Stimmung am Gletscher toll. Das Wasser ist spiegelglatt und darin schwimmen kleine Eisstücke. Nun müsste nur noch der Wal kommen. Als plötzlich etwas neben dem Zodiac auftaucht, gibt es ein bisschen Verwirrung, bis wir feststellen, dass es „nur“ ein Pinguin ist. Glücklich zurück an Bord, gibt es mit Jürgen und Andrea in der Lido Bar noch viel zu erzählen, keiner will nach diesen Eindrücken ins Bett. Kurz vor Mitternacht lichtet die MS Delphin die Anker im Paradies und manövriert sich vorsichtig durch die Eisberge, die sich in den letzten Stunden in der Ausfahrt festgesetzt haben. Draußen ist es immer noch recht hell und wie es scheint, möchten alle Passagiere heute gar nicht ins Bett. Bis 0.30 Uhr steht Sandra vorne am Bug, winkt Walen und Eisbergen zu, bevor auch sie dann in die Kabine geht. Kann es so viel Wetter an einem Tag geben? |
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Mittwoch, der 30. Januar 2013 Jeder, den es in die Antarktis zieht, spürt eine gewaltige Anziehungskraft, eine unvergleichliche Mischung aus Erhabenheit, Schönheit, Weite, Einsamkeit und Feindlichkeit – Begriffe, die jeder für sich schrecklich melodramatisch klingen – die aber das tatsächliche Gefühl für die Antarktis wirklichkeitsgetreu wiedergeben. Wo sonst in der Welt treffen alle diese Beschreibungen wirklich zu? Kapitän T. L. M. Sunter in „The Antarctic Century Newsletter" Um 3 Uhr klingelt der Wecker und Sandra quält sich wieder aus dem Bett. Draußen ist es tatsächlich ziemlich hell und das Schiff liegt still zwischen den Bergen und Gletschern. Beim Warten auf das Morgenrot und den Sonnenaufgang wird es ganz schön kalt. Nur zwei Buckelwale und ein weiterer Reisender genießen diese frühe Stunde. Als dann gegen 4.20 Uhr das erste Licht auf die Berge in der Entfernung fällt, es rund um das Schiff aber dunkel bleibt, nimmt die Delphin Fahrt auf zu ihrem nächsten Ziel. Da der Kurs wegführt von den Bergen im ersten Sonnenlicht, geht Sandra zurück in die Kabine, um sich aufzuwärmen. Der Wecker wird auf 5 Uhr gestellt, denn bereits um 7 Uhr soll die Delphin in den Lemaire Kanal einfahren. Doch irgendwie klingelt der Wecker nicht und wir wachen erst um 6 Uhr auf. Also schnell anziehen und nach oben an Deck. Dort erwartet uns das altbekannte Bild, denn es ist grau und feucht. Trotzdem haben sich bereits viele Passagiere versammelt, um die Durchfahrt durch diesen engen Kanal mitzuerleben. Der Lemaire Kanal ist eine Meerenge zwischen der antarktischen Halbinsel und der vorgelagerten, acht Kilometer langen Booth-Insel. Diese wurde im Jahr 1873 vom deutschen Kapitän Eduard Dallmann entdeckt. Der Kanal wurde 1873 erstmals entdeckt. Er ist etwa sechs km lang und an der schmalsten Stelle rund 720 m breit. Die umgebenden Berge erheben sich bis 1.000 Meter Höhe. Am nördlichen Eingang des Kanals befindet sich der Doppelgipfel von Kap Renard. Der Berg führt seit 2008 auch offiziell den Namen „Una Peaks“ nachdem er schon seit etwa 1955 die inoffizielle Bezeichnung „Una's Tits (Unas Titten)“ in Erinnerung an Una Spivey, eine Betreuerin des Personals des Falkland Islands Dependencies Survey (FIDS), des späteren British Antarctic Survey, in den 1940er Jahren auf den Falklandinseln trägt. |
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Die Schiffspassage durch den Kanal zur oder von der Petermann-Insel gilt als einer der Höhepunkte einer Antarktisreise mit einem Kreuzfahrtschiff. Der Lemaire-Kanal wird wegen der Vielfalt an Fotomotiven auch als „Kodak Gap“ bezeichnet. Die geschützten Gewässer des Kanals bilden einen großen Kontrast zum stürmischen Südpolarmeer. Die Gletscher und Klippen spiegeln sich in den stillen Wasserflächen am südlichen Ende des Kanals. Wenn Eisberge die Weiterfahrt nach Süden blockieren, sind die Kreuzfahrtschiffe gezwungen umzukehren und die Booth-Insel zu umrunden um die Petermann-Insel zu erreichen. Auch wir stehen vorne am Bug, sehen viele Eisberge und überlegen, wie der Kapitän das Schiff da wohl durchbringen will. Gerade an der engsten Stelle des Kanals liegen zwei große Eisberge und wir haben so unsere Zweifel, ob das große Schiff da noch durch passt. Was uns jedoch freut ist, dass die Wolkendecke vor uns aufgerissen ist und wir auf ein großes blaues Loch zusteuern. Langsam schiebt sich MS Delphin vorbei an den beiden Eisbergen und hinein in ein Eisskulpturenwunderland. Hier gibt es viele bizarre Eisberge, viel schönere als wir bisher in der Antarktis gesehen haben. Dazu ist der Himmel jetzt überzogen von hübschen kleinen Wölkchen und wir sind wieder einmal überglücklich. |
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Nach den ersten hundert Aufnahmen von den Eisbergen begeben wir uns kurz in die Kabine, denn heute sind wir erst die dritte Gruppe bei der Zodiac Anlandung und haben Zeit. An Deck vergeht die Zeit sehr schnell, denn immer wieder schwimmen Wale vorbei und die Eisberge im Sonnenlicht sind auch viel zu verlockend für unsere Kameras. Doch wie schon gestern verschwindet die Sonne bald wieder hinter den Wolken. Wir können nur hoffen, dass es heute windstill bleibt, so dass wir unsere Anlandung noch absolvieren können. Das heutige Ziel heißt Petermann-Island. Die Insel wurde 1873 vom deutschen Walfänger Eduard Dallmann entdeckt und nach dem deutschen Geographen August Petermann benannt. Die höchste Erhebung der etwa 1 km langen Insel beträgt 150 m. Die Insel ist relativ eisfrei. Sie ist der südlichste Punkt vieler Antarktis-Kreuzfahrten. Das gilt auch für uns. Auf der Insel befinden sich Kolonien brütender Esels-Pinguine und Adelie-Pinguine. Prima, denn diese fehlen uns bisher noch. An Land angekommen werden wir jedoch erst einmal von Esels-Pinguinen mit ihren Jungen begrüßt. Sie laufen überall und wir bahnen uns mühsam unseren Weg über Steine und durch grün gefärbten Schnee. Je länger der Sommer in der Antarktis dauert, desto mehr verwandeln sich die Pinguinkolonien von schneebedeckten idyllischen Inseln in braune Kot- und Schlammhaufen. Doch noch geht es und wir können die Pinguine über den Schnee laufen sehen. Leider finden wir nur wenige Adelie-Pinguine, die bereits große dicke Jungtiere haben. Stattdessen sind die Esels-Pinguine mal wieder die Stars der Insel. Jungtiere liegen faul auf den Steinen, Eltern kommen und gehen zum Füttern. Auch eine Robbe und ein paar Königskormorane können wir sehen. |
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Auf der Rückfahrt zum Schiff umkreist unser Zodiac-Fahrer noch den großen tollen Eisberg und alle Fotografen an Bord sind ihm dankbar. Dann genießen wir die letzten Minuten unserer letzten Zodiac-Fahrt schweigend. Die MS Delphin kommt immer näher und beim Aussteigen brauchen wir schon etwas Geschick, um im richtigen Moment den Absprung zu schaffen. Es geht ganz schön hoch und runter. An Bord schauen wir weiter nach Walen und winken einem Buckelwalpaar zu, welches ruhig zwischen unserem Schiff und Petermann-Island seine Bahn zieht. Das letzte Zodiac kommt gerade zurück zum Schiff und das Mittagessen wird angekündigt. Wie friedlich es doch alles wirkt. Als wir beim Mittagessen Platz nehmen, wird bereits der Anker gelichtet und die MS Delphin nimmt Fahrt auf. Bald erfahren wir den unschönen Grund dafür, den man uns bisher verheimlicht hat. In der Drake Passage braut sich ein neuer Sturm zusammen und um das Schlimmste zu vermeiden, will man versuchen, mit Volldampf noch vor dem Sturmzentrum Ushuaia zu erreichen. Unsere plötzliche überstürzte Abfahrt wirkt ein bisschen wie eine Flucht aus dem Paradies. Die MS Delphin pflügt mit 17 Knoten durch die Dünung, die wie aus dem Nichts Höhen von zwei bis drei Metern erreicht. Draußen scheint noch die Sonne und die schönsten Eisberge sausen an uns vorbei. Noch einmal unterbrechen wir das Essen, um draußen einen letzten Blick auf die weißen Riesen im Sonnenlicht zu werfen. Dann machen wir unsere Kabine sturmfest und werfen Antiseekrankheitsdrogen ein. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät und hoffentlich wird es nicht allzu schlimm. |
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Den Nachmittag verbringen wir dann, indem wir dreimal das stark schwankende Schiff umrunden, um Platz für ein bisschen Kuchen zu schaffen, lesen und Reisebericht schreiben. Die Seekrankheitstabletten oder auch der Schlafmangel der letzten Tage sorgen für eine bleierne Müdigkeit, so dass wir viel Zeit mit Schlummern im Bett herumbekommen. Die Wellenhöhe bleibt bei knapp vier Metern und es ist ganz gut auszuhalten. Doch das Sturmtief kommt ja erst noch und allein der Name Drake Passage sorgt für Respekt. Zum Abendessen ist heute das Shackleton Dinner angesetzt und wir alle entscheiden uns für Forschersockensuppe mit arktischen Wollflusen und andere Delikatessen wie Pinguinbrust usw. Der Abend endet früh und wir rollen ins Bett. |
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Donnerstag, der 31. Januar 2013 "Für die Abenteuerlust moderner Reisenden kommt es darauf an, dass viel passiert, aber nichts passieren kann. (Hans-Armin Weirich) Nach unserer „Flucht“ von Petermann Island, um rechtzeitig dem zu erwartenden Sturm zu entgehen, einer sehr unruhigen und schaukeligen Nacht klingelt heute Morgen um 8 Uhr der Wecker. Wir stehen auf, machen uns für das Frühstück fertig. Das ist eine schwierige Aufgabe, denn unser Körper will immer anders als das Schiff. Mal fallen wir nach hinten, dann geht es im Laufschritt voran. Das Frühstück schmeckt und Sandra sieht am Himmel ein Stück Sonne. Bewaffnet mit Laptop, Lesebuch und dem Buch für den Reisebericht machen wir uns auf den Weg zum Lido-Deck. Hier setzen wir uns an einer windgeschützten Stelle in die Sonne. Ca. zwei Stunden genießen wir diese noch, dann zieht es sich zu. Nun geht es wohl richtig los. Das Personal entwickelt eine gewisse Betriebsamkeit und sichert alle Gegenstände, was auf die Nähe des Sturms schließen lässt. Wir werfen auf dem Weg zu unserer Kabine einen Blick auf die Wetterkarte an der Rezeption. Das Sturmtief hängt nun dicht vor Kap Hoorn. Der Kapitän kann noch so viel Haken schlagen, irgendwie, irgendwo und irgendwann erreicht uns der Sturm doch. Wir legen uns bis zum Mittagessen noch etwas aufs Bett und lesen aber bald fallen uns bei der Schaukelei die Augen zu. Trotz Sturm und hohen Wellen schmeckt uns das Mittagessen. Schaukelnd bewegen wir uns wieder in unsere Kabine und schauen im Bordfernsehen einen Bericht über die Geschichte der Forschungsstation von Port Lockroy. Danach wird noch ein Film über Eisbären in der Arktis gesendet, den wir uns dann auch noch ansehen. Draußen kann man eh nichts machen. Die MS Delphin stampft durch das Wasser der Drake Passage. Unten in unserer Kabine ächzt und knarrt es. Es hört sich schlimm an. So verbringen wir die Zeit bis zum Abendessen im Bett. Ausgerechnet heute Abend soll es ein Gala Dinner mit festlicher Garderobe geben. Die armen Stewards haben ihre liebe Not, das Essen ohne „Unfall“ heil und sauber an den Tisch zu bringen. Unsere Gläser und die Bestecke rutschen immer von einer Tischseite zur anderen, so dass wir immer eine Hand zum Festhalten brauchen. Sieben Gänge stehen heute auf der Speisekarte. Trotz nun schon acht Meter hoher Wellen schmeckt es uns aber sehr gut... wie auch den meisten anderen Passagieren. Die hohen Wellen spritzen bis an die Fenster des Restaurants und trotzdem schafft es die Crew, die Eisbomben mit Wunderkerzen hinein zu tragen. Nach dem Verzehr dieses letzten Ganges lösen wir die Tischrunde schnell auf und begeben uns in unsere Kabinen und fallen im wahrsten Sinne des Wortes ins Bett. Es schaukelt, stampft und knarrt, die Wellen schlagen an die Breitseite des Schiffes. Wir mag wohl die Nacht werden? PS: Irgendwie gibt es von diesem Tag keine Bilder. Im Nachhinein habe ich mich darüber etwas geärgert. |
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Freitag, der 1. Februar 2013 „Das Beste, was man von Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.“ 0.00 Uhr Das Schiff stampft und stöhnt. An Schlaf ist nicht zu denken. 01.00 Uhr Das Schiff stampft, rollt und stöhnt. Irgendwo hören wir, wie etwas zu Bruch geht und gehämmert wird. Ist das der Klabautermann? Sigrid nutzt die Zeit zwischen zwei Wellen für einen Sprung zur Toilette. 03.00 Uhr Das Schiff bewegt sich nun in alle nur möglichen Richtungen, knarrt, ächzt und stöhnt. Hoffentlich hält es das aus, denn Rettungsboote wären bei diesem Sturm wohl auch keine gute Alternative. Einen Blick nach draußen über die Bordkamera sparen wir uns, denn zum Glück ist es zu dunkel, um das ganze Ausmaß des Sturms zu sehen. Unsere Kabine scheint den letzten Schutz vor den tobenden Naturgewalten zu bieten. Halte durch liebe MS Delphin, bald ist der schützende Beagle Kanal erreicht. Halte durch. 08.00 Uhr Der Wecker klingelt und das Schiff bewegt sich nicht mehr. Es ist geschafft. Die MS Delphin gleitet ruhig durch den Beagle Kanal und kurze Zeit später ertönt der Guten Morgen Gruß des Kreuzfahrtdirektors, der von „Überleben“ spricht. Aua, das scheint wirklich schlimm gewesen zu sein. Bei einem Rundgang durch das Schiff sehen wir dann umgefallene Kleiderständer, fehlende Paneele in der Decke und auch sonst ist einiges in Unordnung. Es war laut Aussage vieler langjähriger Besatzungsmitglieder der schlimmste Sturm, den sie je erlebt haben. Musste das nun ausgerechnet auf unserer Reise passieren? Ein Sturm in der Drake Passage war das Letzte, was wir je erleben wollten und so richtig können wir das alles noch nicht begreifen. Mit bis zu 12 Meter hohen Wellen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 km/h (ein Orkan mit Windstärke 12 beginnt bei 120 km/h) war das schon ziemlich gewaltig und dementsprechend gedämpft ist die Stimmung an Bord. Wir genießen schweigend die Fahrt im Beagle Kanal und in der Ferne ist bereits der Flugplatz von Ushuaia zu sehen. Die Besatzung lädt uns beim Einlaufen alle auf ein Glas Sekt ein, was Gelegenheit gibt, das Erlebte zu besprechen. Dabei haben wir nun echtes Ushuaia Wetter mit Sonne, Regen, Wind und Regenbogen. Es ist kaum zu glauben, dass 100 Kilometer weiter ein großer Sturm toben soll. |
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Gegen 11.30 Uhr machen wir an der Pier von Ushuaia fest, wo bereits die Fram und die Sea Diamond von Quark Expeditions liegen. Nach dem Mittagessen nutzen wir die freie Zeit, um in Ushuaia ein bisschen in die Zivilisation zurückzukehren. Mails lesen und schreiben, Souvenirs angucken und ein Besuch im Casino sollen helfen, wieder in der normalen Welt zu landen, doch der Sturm beherrscht immer noch die Gedanken und ist das Gesprächsthema Nummer Eins. Was wäre wenn… Zurück auf dem Schiff sollten wir eigentlich packen, denn morgen früh um 9.40 Uhr geht unser Flieger nach Buenos Aires. Doch zuerst gibt es Kaffee und nach den ersten Packversuchen von Sigrid landen wir in der Delphin Bar zu einer Pina Colada. Danach beim Abendessen, versuchen wir, zusammen mit Andrea und Jürgen ein Fazit für diese Reise zu ziehen. Ein bisschen bedauern wir, nicht das gewünschte Postkartenwetter gehabt zu haben aber andererseits hatten wir auch viel Glück mit den Anlandungen und die Wörter Mikroklima und katabatische Winde entwickeln sich zu unseren Lieblingswörtern an diesem Abend. Es wird spät und zum ersten Mal sind wir fast die letzten, die das Restaurant verlassen. Nun folgt jedoch das unvermeidliche Packen, welches gar nicht so schlimm ist und noch einmal von einem Sonnenuntergang unterbrochen wird. Gegen 22.30 Uhr fallen wir dann ins Bett und freuen uns auf eine ruhige Nacht. Doch in unseren Köpfen schwankt es immer noch… |
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Samstag, der 02. Februar 2013 Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise. Höchste Zeit ist´s: Reise, reise! Wilhelm Busch Um 5 Uhr klingelt der Wecker, denn auch den letzten Sonnenaufgang wollen wir nicht verpassen. Und das ist auch gut so, denn am Horizont ist bereits das erste Licht zu sehen. Während es an Bord noch ruhig ist, ist die Crew damit beschäftigt, das Schiff komplett abzuspritzen und vom Salzwasser zu befreien. Der Sonnenaufgang wird dann richtig spektakulär mit vielen leuchtenden Wolken und bald stehen wir alle vier am Bug und genießen die letzten Stunden am Ende der Welt, immer noch sehr unentschlossen über unsere Erlebnisse der letzten Woche. |
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Nach dem letzten Frühstück heißt es dann Abschied nehmen vom Schiff. Mit unseren Taschen, die bereits vor dem Schiff auf uns warten gehen wir zu Fuß zum Ende der Pier und mit einem Taxi geht es zum Flughafen. Ja, diese Straßen kennen wir alle schon, die Lupinen sind schon etwas verblüht und die Sonne scheint. Am Flughafen angekommen warten wir auf den Check In und dann auf den Abflug. Kurz nach 10 Uhr heben wir dann ab. LAN 4443 startet in östliche Richtung, erlaubt uns einen letzten Blick auf die MS Delphin und folgt dann dem Beagle Kanal in südlicher Richtung. Drei Stunden später landen wir auf dem Stadtflughafen von Buenos Aires. Mit 30 Grad ist es schwül, stickig, laut und dreckig… aber das haben wir ja vorher gewusst. Während Sigrid schon auf das Gepäck wartet, chartern wir anderen drei eine Remise bei Manuel Tienda Leon und zu viert können wir dann wenig später zusammen in einem Auto zum Puerto Madero fahren, wo wir das Hotel Madero gebucht haben. |
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Für uns zwei ist es wie nach Hause kommen, denn wir haben uns hier vor zwei Jahren sehr wohl gefühlt. Nach etwas Warten bekommen wir ein schönes Zimmer im siebten Stock und dort bleiben wir erst einmal, denn die Klimaanlage hat das Zimmer auf angenehme 21 Grad herab gekühlt. Doch allzu lange hält es uns nicht. Es ist bereits 15.30 Uhr und wir haben Hunger. Beim Schlendern am Hafen entdecken wir einen Starbucks und dort gibt es neben dem Kaffee auch noch Muffins für den kleinen Hunger zwischendurch. Zurück am Hotel ist dort alles mit Polizeikräften abgesperrt. Auf Nachfrage erfahren wir, dass heute eine argentinische Fußballmannschaft im Hotel absteigt und dass bis zu 1000 Fans erwartet werden. Och nö, hätten die das nicht übermorgen machen können? Wir sehen unseren abendlichen Bummel bereits in Gefahr. Doch noch ist es nicht so weit und die nächsten Stunden verbringen wir auf der Dachterrasse des Hotels bei einem Sonnenbad. Zum Glück ist der Himmel ziemlich bewölkt, denn sonst hätten wir es in der Hitze mit unseren ungeeigneten Klamotten wohl nicht allzu lange ausgehalten. Um uns herum tief unten auf der Straße hallt es von Fangesängen, Trommeln und Feuerwerkskörpern. Um 19.15 Uhr treffen wir uns in der Lobby mit Jürgen und Andrea und zusammen schlendern wir hinaus. Von den Fans ist zum Glück nichts mehr zu sehen und wir genießen die entspannte Atmosphäre in diesem neuen Stadtteil von Buenos Aires. Zum Sonnenuntergang wird es dann richtig schön und der Himmel um uns herum erstrahlt in allen möglichen dramatischen Rottönen. Zum Glück haben wir alle notwendigen Kameras mit und so können wir unserem Hobby noch einmal so richtig nachgehen. |
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Nach den letzten Aufnahmen bei fortschreitender Dunkelheit entern wir dann das Cabana Las Villegas. Hier haben wir schon vor zwei Jahren gut gegessen und für heute Abend einen Tisch reserviert. Wir werden nicht enttäuscht. Für Sigrid ein riesiges Stück Lachs, für Sandra ein Steak von 500 Gramm mit Kürbismus und für Jürgen und Andrea jeweils ein Rindercarpaccio gefolgt von Filetsteak. Allen schmeckt es köstlich und während Andrea und Jürgen schon beschließen, das Gleiche Morgen noch einmal zu essen, müssen Sigrid und Sandra nun leider der Wahrheit und dem Ende des Urlaubs ins Auge blicken. Wieder wird es spät und nachdem alle Weinflaschen geleert sind, folgt die letzte Nacht in Südamerika in den bequemen Betten des Hotel Madero. |
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Sonntag, der 03. Februar 2013 Das Fortreisen ist eine gute Sache, wenn nur das Wiederkommen nicht wäre. (Goethe) Um 7.30 Uhr klingelt der Wecker und weckt uns aus unseren schwankenden Träumen. Noch einmal lang machen, die letzten Sachen packen und dann noch ein schönes Frühstück. Die folgende Stunde verbringen wir mit dem letzten Sonnenbad des vor uns liegenden deutschen Winters und schweren Herzens verlassen wir das sommerliche Buenos Aires zum internationalen Flughafen Ezeiza um 11 Uhr. Da es Wochenende ist, erreichen wir unser Ziel recht schnell und können schon um 12 Uhr unser Gepäck abgeben. Hier gibt es keine Beanstandungen wegen des Gewichts aber auf das ersehnte Upgrade warten wir leider auch vergeblich. Nun ja, das wäre ja auch zu schön gewesen, da werden wir wohl wie gewohnt die 13 Stunden Flugzeit in der Sardinenbüchse zubringen müssen. Bis zum Abflug bleibt nur Warten und pünktlich um 14.40 Uhr starten wir mit einer großen schwer beladenen Boeing 777 in den Himmel über Argentinien. Adios Amigos, der Alltag wartet auf uns. Im Flieger folgen dann auf den Gin Tonic und Pasta mit Lachs noch zehn Stunden des Wartens auf die erfolgreiche Landung in London. Auch diese vergehen überraschend schnell und so erreichen wir nach einem vierstündigen Zwischenstopp in London pünktlich unser Ziel. Eine Ewigkeit erscheint es uns her zu sein, dass wir hier unsere Reise begannen. Gegen 16 Uhr am 4. Februar erreichen wir Rostock. Das Schwanken im Kopf wird uns noch für viele Tage begleiten. |
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