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Grand Teton - Nehmt Euch Zeit



Ich stehe am Ufer des Snake River und denke an unseren ersten Besuch vor elf Jahren zurück. Damals, 1997, war dieser Park für uns so wie für die meisten nur eine Durchgangsstation auf dem schnellsten Weg zum berühmten Yellowstone. Man fährt früh morgens in Jackson los, wirft einen Blick auf die Tetons und den Snake River und beeilt sich dann, zum Old Faithful zu kommen. Auch wir haben es damals nicht anders gemacht. Es regnete und von der Landschaft war nicht allzu viel zu sehen. Am Oxbow Bend standen zehn Fotografen mit Stativen und ich dachte mir, was das wohl soll. Am helllichten Tag braucht man doch kein Stativ…die Herren nehmen sich ziemlich wichtig ;-))

Heute nun stehe ich wieder hier, die Sonne scheint und vor mir steht mein Stativ. Wie sich doch die Zeiten und Meinungen ändern :-) Im Unterschied zu damals haben wir dieses Mal drei Tage, um den Grand Teton National Park zu erkunden und es ist nicht schwer, diese Zeit mit Aktivitäten zu füllen.

Gestern zum Beispiel waren wir zum Sonnenaufgang am Oxbow Bend, einem der meistbesuchten Viewpoints hier im Park. Bei null Grad starteten wir 90 Minuten vor Sonnenaufgang von unserer Cabin in Colter Bay. Da man von dort nur etwa zehn Minuten bis zum Oxbow Bend braucht, sind wir rechtzeitig da, um uns einen guten Platz unten am Fluss zu sichern. Und wir sind bei weitem nicht die ersten hier heute Morgen. Immer mehr Autos kommen und es erscheinen Riesen-Objektive und Stative zusammen mit ihren Besitzern. Nirgendwo vorher sah ich eine größere Ansammlung von wertvoller Kameraoptik. Das allein ist schon ein Erlebnis. Es verspricht, ein schöner Tag zu werden. Der Himmel ist klar, die Herbstfärbung kann man auch jetzt im ersten Dämmerlicht schon sehen. In die Ruhe am Fluss dringt ein weit entfernter Ruf. Das "Brunftpfeifen" der Wapitihirsche ist im September eines der markantesten Geräusche hier im Park und wer es einmal gehört hat, wird es wohl so schnell nicht wieder vergessen. Wir stehen, lauschen, frieren ein bisschen und sehen dem Nebel zu, wie er sich langsam über dem Fluss erhebt. Ein Otter schwimmt vorbei und schaut uns an. Der Himmel ist nun schon rosa im Osten und ich mache die ersten Fotos. Auch in Richtung der Grand Tetons ist nun langsam etwas zu erkennen. Der Fluß ist spiegelglatt und so sehen wir Mt. Moran gleich doppelt.

Als um 7.04 Uhr die Sonne aufgeht, trifft sie zuerst auf die obersten Berggipfel der Tetons, die nun theoretisch anfangen sollten, rot zu leuchten. In der Praxis warten wir leider vergeblich darauf. Es hat sich eine dünne Wolkenschicht am Horizont gebildet, die das frühe Morgenlicht abblockt. Aber eine halbe Stunde später hat es die Sonne dann geschafft und strahlt mit voller Kraft auf die bunte Herbstlandschaft vor uns. Ein traumhafter Anblick, kleine Schäfchenwolken, die Tetons und die gelb/orange leuchtenden Bäume und Sträucher spiegeln sich im glasklaren Wasser des Snake River. Nur langsam können wir uns von diesem Anblick losreißen. Bei einem heißen Kaffee warten wir noch ab, ob sich eventuell ein Elch sehen lässt aber der hat wohl gerade etwas Besseres vor ;-)

So machen wir uns auf zu unserem nächsten Ziel. In der Jackson Lake Lodge soll es Internet geben und nach mehr als einer Woche müsste ich dringend mal wieder meine Emails checken… Leider verwechsele ich die Straßen und so kommen wir stattdessen zum Jackson Lake. Auch dieser riesige See liegt heute glatt vor uns und wir machen eine kleine Rast am Seeufer. Die Spiegelung ist fantastisch, Berge, Wolken und dazu dieses glasklare Wasser. Die Temperatur liegt mittlerweile bei fast 20 Grad, was für Ende September im Grand Teton durchaus als "extrem warm" gilt. T-Shirt-Wetter also…

Jetzt aber auf zur Jackson Lake Lodge. Hier finde ich endlich einen nicht besetzten PC und kann ein paar dringende Mails verschicken. Auch gibt es in der Lodge ein bezahlbares Restaurant, naja mehr ein Schnellimbiss aber die Portionen sind riesig und das bestellte Chili verdient seinen Namen, schön scharf ;-) Nach dieser Pause in der Zivilisation zieht es uns zurück in die Natur. Ein paar Tiere wollen wir natürlich sehen und so gehen wir auf Safari, fahren auch in die kleinen, selten genutzten Stichstraßen und halten Ausschau. Bald sehen wir einen Wapitihirsch mit zwei Hirschkühen aber die kennen wir ja schon aus dem Rocky Mountains N.P.

Uns steht der Sinn nach Elchen und wir fahren weiter. Zurück am Abzweig der Jackson Lake Lodge stehen mindestens 20 Autos am Straßenrand und ebensoviele Stative und Fotografen. Das ist normalerweise ein sicheres Anzeichen für Tiersichtungen und auch diesmal ist es so. Eine Elchkuh mit Jungtier hat es sich an einem Teich neben der Straße gemütlich gemacht und lässt sich geduldig fotografieren. Da sie anscheinend vorhat, den gesamten Nachmittag dort dösend zu verbringen, fahren wir irgendwann weiter. Wir wollen eine kleine Straße erkunden, aus der wir schon öfter Autos haben kommen sehen.

Der Weg an sich ist nichts besonderes, unasphaltiert und etwas rau. Aber wir stellen fest, daß er direkt am Snake River endet, nicht weit vom touristischen Hotspot Oxbow Bend und dennoch Welten entfernt. Hierher verirren sich nur Angler, Fotografen und Kayakfahrer. Falls sich jemand also wundert, wohin alle die großen Objektive tagsüber verschwinden…hier ist die Antwort. Mindestens 20 davon stehen zusammen mit ihren Besitzern aufgereiht am Flussufer. Warum, weiß ich erstmal nicht, stelle mich aber mal vorsichtshalber daneben…man kann ja nie wissen.

Bald schnappe ich Gesprächsfetzen der anderen auf. Sie unterhalten sich über Tiersichtungen der letzten Tage und genau hier ist gestern wohl ein Grizzly vor allen Anwesenden durch den Fluss gegangen. Heute Morgen machte ein Weißkopfseeadler Beute und holte sich einen Fisch und nun wartet man wohl auf Elche, die hier auch regelmäßig erscheinen sollen. Also warten wir mit. Andere haben nicht soviel Geduld oder kennen noch andere gute Plätze, jedenfalls lichten sich die Reihen und als nur noch fünf Stative übrig sind, sehe ich plötzlich in großer Entfernung einen Elchbullen am Flussufer. Aufregung setzt ein. Wird er näher kommen? Können wir näher an ihn herankommen? Wir marschieren einen Seitenarm entlang, in der Hoffnung, dass dieser uns dem Elch näher bringt. An der nächsten Flussbiegung warten wir. Auch hier sind die Herbstfarben toll.

Wieder sichte ich den Elch zuerst, leider ist er wieder weit entfernt. Direkt am Oxbow Bend, bei den Massen, von denen er sich aber nicht beeindrucken lässt. Ein bisschen enttäuscht treten wir den Rückweg an. Auf halbem Wege zurück zur Hauptstraße stehen plötzlich wieder viele Autos und noch mehr Fotografen mit Riesenobjektiven. Ich stelle mich wieder dazu und erfahre so, dass "mein" Elch anscheinend genau auf uns zu kommt. Die Spannung steigt. Von überall her tauchen noch mehr Fotografen auf und zeigen auf ein kleines Birkenwäldchen. Dann kommt er auch schon. Ein wirklich riesiger Bulle, der nun für meinen Geschmack viel zu sehr von den Fotografen bedrängt wird. Zum Glück scheint ihn das nicht zu stören und unbeirrt zieht er weiter, überquert die Straße und verschwindet im nächsten Wäldchen.

Wer nun denkt, dass hier Schluss ist mit der Geschichte um diesen Elch, den muss ich enttäuschen. Sämtliche Tierfotografen stürzten hinter dem Elch her, durchs dichtere Buschwerk, mit den sperrigen Stativen und Objektiven. Etwas irritiert folge ich ihnen, denn eine solche Hartnäckigkeit hätte ich nicht erwartet und mir tut der Elch fast leid. Rund dreißig Fotografen hetzten nun hinter dem Elch her, versuchen, ihn zu umgehen und an einer freien Stelle zum Schuss zu kommen. Ich halte mehr Abstand und sehe mir das Treiben an. Nach einiger Zeit kommt eine Frau lachend aus dem Busch und erzählt, dass ein Fotograf auf der Suche nach dem Elch von diesem überrascht wurde…dieser stand plötzlich hinter ihm ;-)

Eine andere nette Geschichte von diesem Ereignis habe ich später im Internet gefunden und dazu ein sehr schönes Bild.

Für mich endet die Elchjagd an dieser Stelle mit den bereits beschriebenen gemischten Gefühlen…aber spannend war es trotzdem.

Um den Tag ruhig ausklingen zu lassen, suchen wir uns einen schönen Picknickplatz in Colter Bay und werfen den Grill an. Lachsfilet und Bratwurst mit Cheese finden ihren Weg aufs Feuer. Bei einem Glas Wein und mit Blick auf die Bergkette der Tetons und den See im Vordergrund genießen wir dieses Festmahl. Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir fertig und zufällig befindet sich direkt vor uns am Strand eine große, knorrige Baumwurzel. Perfekt für ein Landschaftsfoto und zudem läuft sie auch nicht weg, wie der Elch noch vor ein paar Stunden ;-)

Um 20.00 Uhr endet dieser perfekte Tag in unserer gut geheizten Colter Bay Cabin. Ein bißchen Bericht schreiben, Fotos sichern und kramen, dann geht es ins Bett, denn morgen wartet wieder ein Sonnenaufgang auf uns.

...ENDE...


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