Stories
Schneesturm am Bryce Canyon


Der Bryce Canyon ist schön. Mit seinen leuchtend roten, filigranen Felstürmen weckt er die Phantasie aller Besucher. Auch wir haben hier schon schöne Stunden erlebt. Bei strahlendem Sonnenschein ging es morgens auf dem Pferderücken und nachmittags zu Fuß hinab in das Gewirr der Felsen. Schon vor vielen Jahren sagten die mormonischen Siedler in dieser Gegend: "Ein höllischer Platz, um eine Kuh zu verlieren." Die Touristen sehen das heute etwas anders ;-)

Die Erlebnisse im Bryce Canyon waren so positiv in unserer Erinnerung, dass dieser Nationalpark bei der Reiseplanung für unsere USA-Frühlingsreise 2005 eigentlich keine Rolle spielte. Bis ich ein Foto vom Bryce Canyon im Schnee sah… Mein Interesse war geweckt. Natürlich dachte ich, dass die Chance, Ende März in Bryce Canyon auf Schnee zu treffen äußerst gering war. Aber vielleicht hatten wir ja Glück und so gönnte ich uns eine Nacht dort, die ich mit leichtem Bedauern von unserer Zeit in Las Vegas abnahm.


29.März 2005

Die letzte Nacht war kurz…wie immer in Las Vegas. Zudem war es frisch aber jetzt scheint die Sonne, wie wir es aus den letzten zwei Wochen unserer Reise bereits gewöhnt sind. Die Fahrt führt uns heute in Richtung Norden, durch den Zion N.P. bis zum Bryce Canyon. Schnee wollen wir hier auf den roten Felsen sehen und laut Wetterbericht soll es heute auch ein paar Wolken geben…ob da vielleicht ein paar Flocken herausfallen könnten? Schön wär's.

Doch noch scheint die Sonne und es ist recht warm im Auto. Gleich hinter Las Vegas geraten wir in einen Stau und verlieren so einige Zeit. Aber wir sind nicht in Eile. Je näher wir unserem heutigen Ziel kommen, umso mehr Wolken bilden sich. Meine Gedanken schwanken zwischen Bedauern (keine Sonne) und Hoffnung (Schnee). Schon auf den letzten Meilen vor dem Parkeingang wird die Hoffnung erfüllt und einige Schneeflocken fliegen durch die Luft. Es ist sehr kalt geworden. Gegen 16.15 Uhr erreichen wir mit dem Rubys Inn unsere heutige Endstation und nach dem Einchecken müssen wir natürlich sofort einen Blick über den Canyonrand werfen.

Es wird alles angezogen, was wir haben und als wir oben am Bryce Point ankommen, ist die Landschaft tief verschneit. Der Blick vom Aussichtspunkt ist trübe, alles grau in grau und es schneit und stürmt. Am Wegesrand liegt fast ein Meter Schnee und das Sicherheitsgeländer am Aussichtspunkt geht uns nur noch bis zum Oberschenkel. Bei der vorherrschenden Schneeglätte ist es riskant, dort herumzulaufen. Es gibt aber auch Besucher mit Sommerkleidern, Sandaletten und kurzen Hosen. Bei diesem Wetter schmilzt die Hoffnung auf schöne Fotos. Viel zu viel Schnee hier… und dabei haben wir uns das doch gewünscht ;-) Am Sunset Point wird der Schneefall dann so stark, dass wir ins Auto flüchten und dort innerhalb weniger Minuten eingeschneit sind. Warten lohnt sich nicht, also wird die Aktion "Winter am Bryce Canyon" wegen Schneesturm erst einmal abgebrochen.

Im Rubys Inn vertreiben wir uns die Zeit mit Shopping und dem Weather Channel. Zwischendurch wird immer mal wieder aus dem Fenster geschaut doch der Schneesturm tobt noch. Unser Trailblazer ist bereits völlig eingeschneit und unten an der Stoßstange bilden sich mehrere große Eiszapfen. Wir schreiben noch den Tagesbericht, ein paar Postkarten und dann geht es ins Bett.

Wie wird es wohl morgen früh hier aussehen?

Kommen wir überhaupt aus unserem Zimmer? Schnee war ja gewünscht...aber doch nicht so viel!!!


30.März 2005

Als um 4.30 Uhr der Wecker klingelt, stürzen wir beide ans Fenster.Ach du Schreck! Es schneit immer noch. Der Himmel ist dick verhangen. Vom gegenüberliegenden Dach wirbelt der Wind den Schnee und unser Auto hat eine 20 cm dicke Schneeschicht. Wir beschließen, jetzt nicht loszufahren. Viel zu kalt sieht es aus und es scheint unmöglich, dass die Sonne sich heute Morgen sehen lassen könnte. Also schnell wieder hinein ins Bett und den Wecker auf 5.30 Uhr gestellt.

Beim zweiten Versuch stellen wir beim Blick aus dem Fenster fest, dass der Himmel leicht aufklart. Jetzt gibt es einen Wettlauf mit der Zeit. Vielleicht schaffen wir den Sonnenaufgang ja doch noch. Schnell waschen, anziehen, Tee kochen und los. So stürzen wir vor die Tür und stehen vor einem unförmigen Schneehaufen, unter dem sich wohl unser Auto verbirgt. Eilig beginnen wir mit dem Schneefegen und finden unter der Schneeschicht eine dicke Eiskruste. Ohne die richtigen Hilfsmittel haben wir ganz schön zu tun, das Auto schnell fahrtüchtig zu bekommen.

Endlich um 6.07 Uhr können wir losfahren. Um 6.17 Uhr soll die Sonne aufgehen. Die Straßen sind zwar nicht geräumt aber zum Glück gut befahrbar. Wir fahren zum Sunset Point, da er der am nächsten gelegene ist und gestern gut geräumt war.

Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon

Als wir ankommen, ist außer uns nur noch ein weiterer Fotograf da. Der Canyon ist ein Bilderbuch in rot und weiß und die Luft ist kalt und klar, obwohl über uns noch dicke Wolken hängen. Nur in Richtung Osten, genau dort, wo die Sonne aufgehen soll, ist ein kleines Loch in den Wolken. Tatsächlich kommt dort die Sonne hindurch und wirft ihr erstes Licht auf die roten Sandsteinzinnen, den dicken Teppich aus frischem Schnee und uns drei "wagemutige" Frühaufsteher. Herrlich! Die Kameras klicken im Takt und jeder genießt diesen Anblick. So sehr ich mir dieses Erlebnis auch gewünscht habe, hätte ich doch nie damit gerechnet, dass ausgerechnet unser Morgen am Bryce Canyon so sein würde. Die Sonne setzt sich in der nächsten Stunde immer mehr gegen die letzten Schneewolken durch und leuchtet in den Canyon. Die Luft ist so klar, dass man viele Meilen weit sehen kann. Alle Büsche, Tannen und Begrenzungszäune tragen eine dicke weiße Haube und die Wege in den Canyon hinab sind gesperrt. Nach einem Schluck heißen Tee fahren wir zum Bryce Point. Hier liegt heute noch mehr Schnee und das Geländer, welches gestern noch bis zu unseren Oberschenkeln reichte, geht uns nur noch bis zum Knie.

Inzwischen ist es 8.30 Uhr geworden, der Himmel ist stahlblau und die Landschaft strahlt in rot und weiß. Nun kommen so langsam viele andere Besucher in den Park...das Beste haben sie verpasst Wir fahren zurück ins Motel. Hier gibt es das wohlverdiente Frühstück und eine schöne Tasse heißen Kaffee. An der Information erfahren wir, dass es heute Morgen -10°C waren. Bei unserer Abfahrt zeigt das Thermometer vor der Tür schon 0°C an und die geschlossene Schneedecke, die gestern noch nicht da war, können wir bis weit hinter den Red Canyon genießen.

Der Traum vom Schnee im Bryce Canyon hat sich damit für uns in perfekter Weise erfüllt.


Die ungeplante Fortsetzung:


7. April 2008

Wir sind unterwegs auf einer neuen Reise im Südwesten der USA. Um unserer Reisebegleitung die landschaftlichen Höhepunkte in Arizona und Utah zu zeigen, stand natürlich auch wieder der Bryce Canyon auf dem Programm. Nach unserem Schneeabenteuer vor ein paar Jahren hatte ich bewusst diesen Nationalpark an das Ende unserer Reise gelegt, denn wir wollten gern ein bisschen wandern.

Nach einigen sonnigen Tagen ohne Wetterbericht stehe ich nun hier am Calf Creek und lese die Wettervorschau für die nächste Zeit. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen, denn es ist Schnee angesagt. Als ich die Nachricht bei meinen Mitreisenden verkünde, ist das Gelächter groß. Schon wieder Schnee am Bryce Canyon?


9. April 2008

Es ist 14.00 Uhr und von draußen schlagen die Schneeflocken an die Windschutzscheibe. So geht das nun schon seit ein paar Stunden immer im Wechsel. Mal scheint die Sonne und dann schneit es wieder. Wir sind gespannt, wie es wohl am Bryce Canyon sein wird. Werden die Wege frei sein? Zu gern würde ich zur Wall Street laufen. Dieses Mal haben wir ein Zimmer in der Bryce View Lodge reserviert, welche sich gegenüber vom Rubys Inn befinden soll. Leider ist unser Zimmer noch nicht fertig und so vertreiben wir uns die Zeit mal wieder im Shop gegenüber im Rubys Inn. Es ist ziemlich kalt und immer wieder stören Schneeschauer den Sonnenschein. Als unser Zimmer im Bryce View Inn endlich fertig ist, sieht es auf den ersten Blick sehr ok aus. Geräumig und mit Kühlschrank.

Nach einem Kaffee machen wir uns auf, den Canyon zu erkunden. Hinab wandern wollen wir erst morgen Vormittag. So bleibt der heutige Nachmittag für den Besuch der Aussichtspunkte. Schon auf den ersten Blick stellen wir fest, dass viel weniger Schnee liegt als bei unserem letzten Besuch. Die Wege sind begehbar und wenn es nicht heute Nacht noch viel Neuschnee gibt, wird unserer Wanderung nichts im Wege stehen.

Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon


Im Viertelstundentakt wechseln sich nun Sonnenschein und Schneeschauer ab. Unser Timing ist gut und wir nutzen jeweils den Sonnenschein für die View Points und den Schnee für die Fahrt zum nächsten Aussichtspunkt. Am Sunset Point kommt kurz nach uns ein Bus voller Italiener, was den stillen Genuß des Ausblicks ab sofort unmöglich macht. Auch das Fotografieren wird leider massiv behindert. Zum Glück fängt es in diesem Moment besonders stark an zu schneien, so dass selbst wir mit unserer winterfesten Kleidung es vorziehen, ins Auto zu flüchten. Die leicht bekleideten Italiener brauchen für diese Entscheidung etwas länger, vielleicht ist dies ihre einzige Gelegenheit, den Bryce Canyon zu sehen? Wir haben da etwas mehr Zeit und können in Ruhe abwarten, bis sich mal wieder ein blaues Loch zwischen den Wolken zeigt.

Als wir wieder am Canyonrand sind, sehen wir, daß auf dem roten Untergrund eine weiße Schneeschicht liegt. Es sieht aus wie Puderzucker. Die schnell ziehenden Wolken zaubern ein Spiel aus Licht und Schatten auf die Landschaft. Alle anderen Besucher scheinen bereits aufgegeben zu haben, denn wir sind allein. Welch ein Unterschied zu vorhin. Nach dieser sonnigen Phase ist endgültig Schluß. Die Wolken kehren zurück, das Licht verschwindet und wieder fallen dicke Flocken vom Himmel. So kehren auch wir in unser Hotel zurück, wo wir uns bei einem Glühwein aufwärmen.

In der Nacht merken wir leider, dass die Tür nicht dicht schließt und das ganze Zimmer zum Kühlschrank wird. Bei Außentemperaturen von -7 Grad eine ziemlich unangenehme Erfahrung :-(


10. April 2008

Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen zeigt, dass Eiskratzen auf dem Auto nicht notwendig ist. Der Himmel ist klar und draußen kann es auch nicht viel kälter sein als in unserem Zimmer. Also fahren wir mal wieder zum Sunset Point, welcher trotz seines Namens auch ein guter Standpunkt für Sonnenaufgänge ist. Hier sind wir heute nicht allein. Drei Fotografen stehen bereits und warten auf das erste Licht. Doch dieses Bild habe ich bereits vor drei Jahren gemacht. Ich möchte hinunter zu Thors Hammer. Es liegt nur eine dünne, sehr hübsch anzusehende Schneeschicht auf dem roten Weg. Da diese zum Glück nicht glatt ist, kann ich ohne Probleme hinablaufen. Es ist ein ruhiger, klarer Sonnenaufgang und die dünne Schneeschicht macht den Bryce Canyon zum Puderzuckerparadies in orange und weiß. Ganz anders als vor drei Jahren und trotzdem ebenso schön. Auf meinem Weg zurück nach oben komme ich nur langsam vorwärts. Die Motive reißen einfach nicht ab.

Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon


Am Auto angekommen gibt es erst einmal Frühstück mit einem heißen Kaffee. Dann starten wir unsere Wanderung. Zur Wall Street wollen wir und natürlich noch weiter. Mittlerweile ist es etwas wärmer geworden und die Sonne scheint auf die Wege. Der weiße Puderzucker wird dünner. Dass das für unsere Wanderung nicht unbedingt positiv ist, stellen wir leider sehr bald fest. Denn die Sonne verwandelt die Wege in schmierige Rutschbahnen. Die erste Hälfte der Serpentinen hinab schaffen wir noch ganz gut aber dann gehe ich allein weiter. Wie ich wieder hoch komme, weiß ich noch nicht aber irgendwie wird es schon gehen. Ziemlich vorsichtig taste ich mich vorwärts. Unten angekommen erwartet mich eine langgestreckte rotglühende Schlucht. Auf dem Boden liegt noch eine dünne Schneeschicht. Je weiter ich gehe, umso intensiver wird das rote Licht. Die Sonne wird hier von den roten Felswänden reflektiert. Inmitten dieser leuchtenden Schlucht stehen ein paar hochgewachsene Bäume und ich frage mich, wie diese hier leben können. Als Fotomotiv sind sie natürlich sehr gut zu gebrauchen ;-)

Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon Winter am Bryce Canyon


Der Weg nach oben gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig, denn inzwischen hat die Sonne auch den letzten Teil des Weges erreicht und aufgeweicht. Ich schaffe es aber, ohne mich langzulegen. Nur meine Wanderschuhe bedürfen danach einer sehr, sehr langen Säuberung.

Und damit geht auch dieses Schnee-Erlebnis am Bryce Canyon zu Ende…

Was bringt die Zukunft? Ich weiß es nicht, aber ganz ohne Schnee wird der Bryce Canyon für mich nie mehr so schön sein, wie ich ihn nun zweimal erleben durfte.

...ENDE...


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